Montag, 25. August 2025

Tag 16: Von der Fahrlässigkeit zum Vorsatz

Gleinalm-Schutzhaus - Gaberl
(20,1 km - 830 Hm auf - 870 Hm ab)

Der Tag beginnt schon mal besser, als der letzte endete: Es gibt Tee, Milch und sogar Schinken zum Frühstück.

Geht doch !

Wenn jemand nicht KANN, habe ich ja in der Regel ein Einsehen, wenn jemand aber nicht WILL, dann geht mein Verständnis üblicherweise exponentiell fallend asymptotisch dermaßen rasch gegen Null...

Worüber wir HIER reden, dürfte klar sein !

Noch bevor ich Maria Schnee hinter mir lasse (die vermaledeite Schutzhütte wird hier durch geschickte Wahl des Standpunkts einfach eliminiert ;-), muß ich erstmal eine Bestandsprüfung durchführen: Gestern ja nur 2,5 von 3,5 möglichen Litern Wasser an der Mugel aufgenommen, 1,5 unterwegs getrunken, 0,5 dummerweise entsorgt, bleiben noch 0,5 Liter Reserve im Tank.

Ok, da heißt es heute sparsam sein, aber die Etappe hat auch nur gut 20 Kilometer.

Der Anstieg zur Roßbachalm ist nett: Erst durch den Wald und dann wird das Gelände offener:

Vor allen Dingen ist es aber nicht so hundsgemein steil, wie der Mariazell-Wanderer Uli und mir am Vorabend prophezeit hatte.

Irgendwie lande ich dann recht schnell kurz unterhalb des Roßbachkogels (1.848m), nur um zu realisieren, daß all die süßen Pferdchens (Sommerweide der Lipizzaner) - und der EIGENTLICHE Weg - unterhalb von mir liegen.

Mmmh, was macht man mit so einem angefangenen Gipfel ?

Dasselbe wie mit einer angegessenen Mahlzeit ;-)

Aus reiner Fahrlässigkeit habe ich nun also einen Gipfel bestiegen, der eigentlich nicht direkt am Weg liegt. Derartiges unterlasse ich sonst.

Aber wenn man nun schon mal hier ist, dann kann man gleich (vorsätzlich) über den Grat/Kamm weitergehen...

Der Weg - also eigentlich ein Pfad mit Steigspuren - ist traumhaft und nach einer Weile kommt auch der 05er von links dazu, der den Gipfel in der Flanke passiert hat.

Abends werde ich festgestellt haben, daß Uli heute 100% denselben Weg (mit all seinen Variationen) gewählt hat. Er hatte auch keinen Wegweiser/Markierung im Aufstieg gesehen !

Wenig später - kurz vor der Zeißmannhütte - tappe ich nur noch wie ferngesteuert, nein, eigentlich wie hypnotisiert vor mich hin :-o

Was passiert ist ?

Vor mir baumeln, in der Sonne funkelnd, scheinbar nagelneue Wanderstiefel an einem Rucksack. Fehlt nur noch die Stimme aus dem Off: "Du bist ein Krapfen" :-o

Der junge Mann vom Vorabend/Frühstück ist gar nicht gen Norden (Mariazell) unterwegs, sondern läuft hier barfuß (BARFUSS !) über die geschotterte Almstraße.

An der Hütte passiere ich ihn, weil er zur Abkühlung komplett im Brunnentrog steht: Vermutlich angezogene/festgefressene Handbremse, die heiß gelaufen ist, oder entsprechende Fußsohlen...

Kurz danach teilt sich der Weg: Im Führer steht "WIR gehen NICHT über den Kamm" - ha, heute ist so ein Tag, da geht ER erstrecht (vorsätzlich) über den Kamm !

Der Weg dort ist traumhaft schön, allerdings geht mir der Barfußwanderer in dem Bereich plötzlich unwiederbringlich verloren.

An der nächsten Abzweigung bleibe ich dann wieder bzw. eigentlich weiter am Kamm und spaziere bei schönem Wetter und bester Laune vor mich hin.

Ans Trinken habe ich noch nichtmal gedacht !

Evtl. überstehe ich den Tag wirklich mit dem halben Liter Wasser, denn das Oskar-Schauer-Haus hat heute und morgen sowieso Ruhetag, weswegen sich hunderte Höhenmeter Abstieg definitiv nicht lohnen.

Also weiter...

Ein älteres Ehepaar sitzt hier im Hang und kämmt Preiselbeeren:

Mmmh, ob die die fetten Verbotsschilder zwecks Beeren und Pilzen nicht gesehen haben oder ist das hier wie in Südtirol, wo die Verbote auch nur für Italiener gelten ?

Noch während ich so für mich hingrüble - bei jedem Verbotsschild am Weg wieder von neuem - erreiche ich das Stierkreuz und damit den Nord-Süd- und Zentralalpen-Weg wieder:

Der Weg führt nun durch den dichteren (Nadel-)Wald - ein Teil davon findet sich bald im Schuh und piekst nach Entleerung - und einige Zeit später muß ich GENAU aufpassen:

Hier trennen trennen sich 02er (rechts: den Berg hoch zum Sendemast) und 05er (links: am Hang entlang).

Im späteren Abstieg habe ich dafür einen neuen Gesellen: Die violette Via Alpina, die mich nun für Tage begleiten wird:

Todgesagte leben länger: EIGENTLICH gibt es die fünf Farben und damit fünf Via-Alpina-Wege ja gar nicht mehr, sondern nur noch DIE (eine) Via Alpina.

*argh* EIN Mal mit Profis arbeiten !

Idioten !!

Konzept A nicht (richtig) hinbekommen, Konzept B aufsetzen, keine Migrationsidee haben, keine Vision, keine Strategie, einfach KEIN PLAN ?!

Klassische Investitionsruine !!!

Apropos Ruine: Mal wieder eine dieser tollen Weiden am 05er, die Du betrittst und dann keinen Plan mehr hast, wie/wo es weitergeht:

Herr, schmeiß' Farbe vom Himmel !

Der Weg heute ist echt traumhaft, wobei es - wie man hört - damit auch recht schnell vorbei sein könnte: Windkraftanlagen ich hör' Dir trapsen...

Das Problem sind natürlich nicht die Anlagen, sondern die Bau-, Förder- und (auflagenlose) Genehmigungskultur was die Zufahrtsschneisen angeht !

Bisher ist das in diesem Wegabschnitt bzgl. Koexistenz von Wanderweg und Forststraßen aber echt gut gelöst: Extrem lange Strecken laufen hier einfach parallel, weil man eben NICHT einfach den Trail platt gemacht hat ! - So wenig Forststraßen und so viel Single-Trail-Anteil wie heute bin ich auf dem 05er bisher wohl noch gar nicht gegangen.

Um 14:40 Uhr erreiche ich das Gaberl.

Daß heute Ruhetag ist, war mir bekannt, ich habe vor sieben Wochen sogar bereits das Essen ausgewählt und Uli am Mugel auch noch darauf angesetzt, hier rechtzeitig zu reservieren.

Allerdings habe ich mit der Chefin nichts ausgemacht, wie der Zugang dann geregelt wird :-o

Naja, in der Sonne läßt es sich aushalten, ich schaue nochmal um's Eck und gegen 16:15 Uhr kommt auch schon die Junior-Chefin mit Kleinkind und Begleitung aus dem Wald angehetzt, ob ich denn schon lange warte.

Naja, 1,5 Stunden.

WAAAS ? - Normal kommen die Wanderer NIE vor vier !

Keine Ahnung wie/was "diese Wanderer" da den ganzen Tag machen: War ich doch erst um 09:00 Uhr losgegangen (über die Gipfel und Umwege.) und habe - wie wir abends feststellen - auf derselben Bank in der Sonne, oberhalb des Weges an einem Marterl pausiert wie Uli.

Uli kommt irgendwann nach 17:00 Uhr und die super-nette Junior-Chefin des Drei-Generationen-Familien-Betriebs (die aktuell vierte Generation ist zuweilen auf dem Arm zwischengeparkt) kümmert sich rührend um uns, braut noch Suppe jenseits der ursprünglichen Bestellungen, verfeinert den Salat mit steierischem Kernöl und schafft - nahezu unglaubliche Dinge: Sie bringt mich dazu, KEINEN (schwarzen) Johannis mit Leitung zu trinken ! - Wie jeder (ordentliche) Weitwanderer früher oder später (von mir) lernt, ist das ja DAS Durstlöschgetränk in den Ostalpen schlechthin. Nein, ich war/bin da nie missionarisch unterwegs, aber steter Johannis-Leitungs-Tropfen (teilweise auch nur per Blog) hat da scheinbar schon so viele Steine gehöhlt. Selbst die dickschädeligsten (um nicht zu sagen: verbohrtesten) Zeitgenossen haben mir schon (überraschend) gestanden, sie hätten das nun auch mal ausprobiert und das wäre gar nicht so schlecht.

Aber NICHT heute: Ich lasse mich auf einen Versuch (und zur Sicherheit: VIER Wiederholungen) ein, DAS Elexier von einem oststeirischen Bauern zu kosten: Farblich irgendwo so zwischen Blut und Rotwein. Etwas dickflüssiger als normaler Saft. Nicht ganz so süß. Weniger Säure. Leicht herbe Note im Abgang:

ROTER Ribisl-Saft mit Leitung ! - Da kann der (an sich gute) Pago einpacken !! 

Zu fortgeschrittener Stunde (die kleine Thea muß ins Bett !) kommt dann die Senior-Chefin und versorgt uns und zwischendrin ruft mich noch die eigentliche Chefin an, ob das mit dem Zugang nun geklappt hat, sie war leider den ganzen Tag unterwegs gewesen.

Die drei Damen (und irgendwann vielleicht auch die noch ganz kleine Nummer vier ;-) rocken den Laden hier ! Kompliment !! Respekt !!! Nur weiter so !!!!


Begegnungen:

- die anderen drei Weitwanderer beim Frühstück

- Heureka: HEISSER (schwarzer) Tee mit Milch + Brot mit Schinken usw. zum Frühstück

- 1 Falke

- 1 Falke

- Uli


8 Kommentare:

  1. Jawohl, so muss. Ich hoffe du nächtigst im neuen Koralpenhaus, da hab ich mich sehr wohl gefühlt.

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    1. Hey Volker.
      Die Koralpe ist keine Nächtigungsstation, aber nach Deiner positiven Anmerkung werde ich mal sehen, ob ich da zumindest einkehre :-)
      Schöne Grüße vom Barbarahaus, K2.

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  2. 1. Wasser gab es auf der Gleinalm etwa auch nicht?

    2. auf DER Mugel

    3. Dem geschriebenen zufolge also Nächtigung auf der Weinebene und bei der Brendlhütte (oder etwa Durchmarsch?)

    3a Somit brauche ich Einkehr bei der Grillitschhütte (vorgestern für dich getestet) wohl nicht zu empfehlen (Suppe / Kaiserschmarren top)

    4. Empfehle Gipfelrast links am kleinen Speikkogel statt rechts am großen - weniger los und keine Radarkugeln daneben (ist allerdings ein Zielkonflikt mit dem Besuch des Koralpenhauses, welches rechts abseits liegt)

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    1. Jo, "klassische" Einteilung Weinebene + Brendlhütte: Man will sich ja nicht (unnötig) überfordern, wenn man evtl. noch deftiges Dessert im Blick hat.

      Zumindest laut Aussage der komischen Bedienung bei der Ankunft: KEIN Trinkwasser !
      Deswegen ja mutmaßlich auch kein Tee/Kaffee.

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    2. Ungeklärt bleibt das Milch-Paradoxon: KANN man nicht warm machen.

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    3. @Gert: DIE Mugel korrigiert.

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  3. da habe ich mit meiner Vermutung in einer Mail vor Jahren an dich, dass die grüne Via Alpina durch die Schweiz in die rote eingebaut wird und der Schlenker nach Osten durch den Weiterweg auf der blauen weggelassen wird ... dass es dafür extra einen "Versuch" gebraucht hat, der glaube auch noch Geld gekostet hat ...

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    1. Schlimmer:
      Die haben vor Jahren ja sogar Geld für einen Geocache an der Roten Via-Alpina bezahlt:
      Der immerhin ca. 2 Wochen (Z-W-E-I) RÜCKWÄRTS (also ca. 14 Tage/Etappen - von ~ 161) führt und nicht den Guidelines entspricht :-o
      Evtl. sollte ich da auch mal SBA loggen... ;-)

      Herr schmeiß Hirn vom Himmel würde da ein Mafioso evtl. sagen, der auch schon einen italienischen Padre auf der Bühne des inoffiziellen dritten bayerischen Staatstheaters repräsentierte,
      K2.

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