Sonntag, 10. August 2025

Tag 01: Muß ich umschulen ?

Nebelsteinhütte - Liebenau
(23,7 km - 470 Hm auf - 460 Hm ab)

Als ich um 07:00 Uhr das möglichst frühe Frühstück einnehme, um im Idealfall noch vor der großen Hitze (auf 1.000 Metern !) gen Süden loszukommen, bin ich noch ganz alleine.

Regina, die auf dem Lainsitz-Wanderweg gen Norden unterwegs ist und in ihrem "neuen Leben" (auf die "alten Tage") noch/wieder ein wenig was ausprobieren will, war die erste (Plan-)Etappe gar zu lang, so daß sie eben auch auf der Hütte übernachtet hat, heute aber eben nur (weitere) Halb-Etappe vor sich hat. Natürlich ist den Neun-Mal-Klugen unter uns klar, daß die Lainsitz der EINZIGE Fluß in ganz Österreich ist, der nach Norden entwässert und über Moldau und Elbe in die Nordsee das kühle Naß entsorgt (sagt zumindest der ÖAV-Führer). Da sie am Vorabend nach einem entsprechenden Kommentar von mir wohl meinte, ich kenne mich aus, durfte sie noch von ein paar anderen Anregungen der Kategorie gepflegte Nachmittagsspaziergänge profitieren ;-)

Aber zurück zum hier und jetzt:  

Als ich mit meinen Morgen-Routinen fertig bin und mich auf den Aufbruch vorbereite, sitzt Regina gerade beim Frühstück und lauscht der (wirtschaftlich) klagenden Hüttenwirtin.

Daß so ein Dasein - gerade auch bei den bisherigen Wetterkapriolen dieses Jahr (Juni viel zu heiß, Juli zu kalt und unbeständig) kein Zuckerschlecken ist, ist mir klar, allerdings hört mein geistiger bzw. ökonomischer Horizont zuerst mathematisch bei der Diskussionswürdigkeit einer Jahrespacht auf Zwölftel des Jahres (häufiger, kleinerer Beträge) oder Siebtel der Saison (seltener dafür größere Summen) auf und völlig lost bin ich dann wenn es darum geht, daß man lieber GROSS jammert als die hütteneigentümende Sektion am Wetter-/Saison-Risiko mit einem Umsatzpachtanteil beteiligen zu wollen (klassische Regelung bei AV-Hütten und nur die Gewichtungen Fix-Pacht, Umsatz-Pacht-Anteil (samt zu definierender Höhe) und Abschlag für Nächtigungen, die sonst mehr oder weniger komplett an Sektion gehen sind die große Preis-/Vertragsfrage).

Eine einfache Zusatzverdienstmöglichkeit wäre auch ein Getränekautomat, damit nicht nach 18:00 Uhr JEDEN Tag sechs Menschen vergblich an der Tür rütteln und den Weitwanderer verständnisarm bis -los befragen...

Natürlich ist ein Umsatz-Pacht-Anteil nicht degressiv (also günstiger pro Stück bei steigender Stückzahl), sondern klassischerweise linear (fester Prozentsatz) und ist somit auch weit von progressiv (wie beispielsweise im deutschen Steuerrecht) entfernt (höhere Prozentsätze für höhere absolute Beträge).

Die Wirtin mag aber einerseits jammern, andererseits das (Wetter-)Umsatz-Risiko nicht abfedern/absichern, weil "sonst nehmen die mir ja was weg, wenn ich mehr einnehme".

Tja, was soll ich da noch sagen: Geht jemand von Euch (also bei Angestelltenverhältnis) zu seinem Chef und fragt nach 50% Lohn, damit er prozentual weniger Steuern zahlen muß ?

Aber gut, ich DURFTE ja nicht BWL studieren (Androhung der Ent-Erbung und sofortigen Rauswurfs). Latein hatte ich nie. Kunst habe ich frühzeitig abgewählt und nur noch zum Tee-mit-Milch-Trinken besucht und Musik sowie Sport sind wegen 15 Halbjahres-Punkten im Abi (und zum Wohle der Menschheit, würden evtl. einige Kenner meinen) ausgeschieden.

Also wurde aus mir nur ein einfacher Informatiker geringer Intelligenz, weswegen sich mir auch die folgenden Konstellationen aus meinem früheren Leben nie erschlossen haben:

Fall 1 (Januar):

naiver Kai: Hey, wir haben jetzt plötzlich 1.000.000 mehr Umsatz.

Controlling: Das ist aber schlecht: Monatlich 50.000 das ganze Jahr wäre besser gewesen. Und Du hättest das im September des Vorjahres anmelden müssen.

naiver Kai: [wtf] ???

Controlling: Das MUSS planbar und gleichmäßig sein !

naiver Kai: [(einfache) Mathematik wird bei BWL augenscheinlich maßlos überschätzt]


Fall 2 (Dezember):

naiver Kai: Ah, der Kunde muß bis Ende Dezember noch 200.000 loswerden (Budget und so) und braucht eine Rechnung, aber keine Lieferung.

Buchhaltung: Das geht ja gar nicht.

naiver Kai: [wtf] ???

Buchhaltung: Das müßten wir dann als Anzahlung/Vorschuß buchen und überhaupt, dann ist das ja eigentlich erst Umsatz vom nächsten Jahr. Und überhaupt und sowieso.

naiver Kai: [Korrektes Buchen ist Eure (einzige) Aufgabe. JETZT hat der Kunde Budget, im Januar sind nicht nur die 200.000 weg, sondern 200.000 weitere weil neues Budget natürlich dann gekürzt wurde]

 

Fall 3 (September-Oktober):

naiver Kai: Ah, ich habe verstanden: Prognose für nächstes Jahr wird unterteilt in (WIRKLICH) sichere und wahrscheinliche Umsätze und weil wir nicht wissen, womit wir uns sonst beschäftigen sollen, wird das MANUELL aufgeteilt in Excel in Monatsspalten eingetragen.

Controller/Konzern-CFO: Warum hast Du den Umsatz für laufenden Wartungsvertrag x nur bis Monat a eingetragen.

naiver Kai: Verstehe die Frage nicht: Sicher bis Monat a, danach in Rubrik "wahrscheinlich", denn der Kunde hat entsprechende Kündigungsoption.

Controller/Konzern-CFO: Nein, nein, das ist FALSCH, das mußt Du schon als WIRKLICH SICHER eintragen.

naiver Kai: [wiahfui@9845290124]

naiver Kai: Ok, habe Spaltenüberschrift angepaßt.

Controller: :-o Das kannst/darfst Du doch gar nicht.

naiver Kai: [zum Thema können: kennst Du Deinen Goethe ? kein Excel-Blattschutz ? keine QM-Richtlinie ? keine Arbeitsanweisung ? ich darf nicht lügen und WERDE keine Falschaussagen machen !]

t.b.c.

Ich kapiere den Kapitalismus wohl einfach nicht (richtig). Ist für mich scheinbar (NICHT augenscheinlich, Gert !) ein Mysterium kurz hinter Katholische Religionswissenschaften, weswegen sich mir dort nicht erschließt, warum jemand von jetzt auf gleich unfehlbar wird, nur weil jemand das Feuer im Kamin mit dem falschen Holz angezündet hat.

Aber vielleicht erläutert mir einer von Euch LeserInnen während der gerade erst beginnenden Tour das irgendwann im Laufe noch verständlich.


Bevor die Gedanken weiter schweifen ist jetzt jedensfalls erstmal HÖCHSCHTE Konzentration gefordert (wie Jogi vielleicht gesagt hätte): Sollte ich heute auf den E6 in die falsche Richtung einbiegen, stünde ich bald bei den Eltern/Freunden von früher vor der Tür: Das kann ja Kainer wollen !

Wie mir eine nette Zuschrift eines sehr geschätzten Mitabiturienten nämlich auf der Anreise offenbarte: Der Europäische Fernwanderweg E6 führt aus Skandinavien über Coburg an den Nebelstein, verläuft dann bis Eibiswald deckungsgleich zum österreichischen Nord-Süd-Weitwanderweg 05 und dann weiter gen Balkan.

Am Ende des Tages werde ich Euch sicherlich gesagt haben können, wie es ausGEGANGEN sein wird...

Am Fuß der Zufahrtsstraße der Nebelsteinhütte lasse ich das Portal und den Weitwandergedenkstein (Sichtrichtung: rechts) hinter mir und biege LINKS (Gehrichtung) ab.

Nach wenigen Metern Straße zweigt auch schon rechts ein Weg in die Wildnis ab, dem ich Markierungs-bedingt folge, nur um weniger später an einer Lichtung mit historischen Informationen prompt falsch zu gehen und wieder auf der Straße zu landen.

Dort bemerke ich meinen Fauxpas, allerdings ist das laut GPS kein großes Problem und so peile ich bereits im nächsten Weiler den Zusammenschluß an und nehme mir vor, etwas aufmerksamer zu sein.

Es ist am frühen Vormittag zwar schon recht warm, aber hier gibt es im Waldviertel doch noch recht viel vom Namensgeber und so freue ich mich einerseits über Schatten, aber auch über die kleinen Häuschen in idyllischer Lage.

Immer wieder gibt es derartige Anwesen, wo es sich wohl einen Großteil im Jahr gut aushalten läßt. Im Winter stelle ich mir das stellenweise schon etwas spannender vor, denn schließlich bewege ich mich hier zwischen 700 und 1.000 Metern über dem Meer.

Kurz vor Karlstift wäre dann eine Pause mal ganz nett, wobei der Wald gerade hinter mir liegt und die Sonne unbarmherzig vom blauen Himmel brennt.

Aber, wo ein Wille, da eine Bank im Schatten.

Mmmh, allerdings weit auf Privat-Grundstück.

Frechheit siegt: Ich klingle einfach mal und frage ganz nett, ob ich mich auf der Bank an der Stirnseite des Hauses für ein Päuschen niederlassen darf.

Der Hausherr ist erst überrascht, aber erfreut und bewilligt mein Ansinnen umgehend.

Hier läßt es sich wirklich aushalten:

Zur Krönung kommt er dann nochmal extra vorbei und bringt mir etwas Erfrischendes zu trinken.

Frankenmarter für einen Franken. Wie passend...

Bisher sind mir hier nur wahnsinnig nette Einheimische begegnet !

Nur die Prophezeiungen der Wienerin mit Zweitwohnsitz im Waldviertel haben sich NOCH nicht bewahrheitet:

"Tja, was erwartest du dir in einer Gegend, in der angeblich zeitweilig noch Mammuts und Wollnashörner gesichtet werden?"

Sooo rückständig scheinen die mir hier gar nicht zu sein: Ist ja nicht die Oberpfalz, wo laut meiner Verwandtschaft die Glühbirnen noch mit dem Hämmerchen ausgemacht werden - so die Einwohner mal von ihren Bäumen runtersteigen - aber lecker (Obst-)Kuchen soll's dort geben ;-)

Im Ort Karlstift selbst gibt es nur eine Bank in der prallen Sonne (also alles richtig gemacht), die Skipisten sind längst ausgeapert und der Ort in wenigen Minuten zum Ausgang hin durchschritten.

Dafür geht es jetzt wieder ein wenig bergauf, wobei ich die wenigen Höhnemeter irgendwie gar nicht merke, obwohl es genauso viele sind wie gestern.

Zwischen den Wäldern führt der Weg zuweilen über etwas offenere Flächen, wobei der Pfad hier ein wenig irreführend ist und am Teich endet - aber wo ein Wille, da auch ein direkter (Weiter-)Weg...

Im Wald vertrödele ich nochmal eine halbe Stunde auf einem halbhohen Hochsitz, weil er im Schatten ist, und quatsche mit dem älteren Radler-Ehepaar, was irgendwo in  der Gegend den Camper stehen hat.

Die beiden kommen mir dann prompt nochmal entgegen: Sie trauen dem Wetter nicht.

Ja, diese kohlrabenschwarzen Wolken dürften laut Vorhersage wahrlich nicht existieren.

Aber wie zum Beweis treffen mich etwas später dicke, fette Tropfen aus WASSER.

Iiiiih, ich bin doch aus Zucker :-o

Das GPS zeigt noch gut zwei Kilometer bis zum Ziel: Lieber Petrus, Gewitter, Regen oder ähnliches ist jetzt KEINE Option.

Der klügere gibt nach :-)

Entspannt - und für die Chefin überraschend früh - erreiche ich mein heutiges Tagesziel, einen Reiterhof kurz vor Liebenau, wo man aber auch als Radler, Wanderer oder ähnliches Willkommen ist (nur nicht mehr als zechprellerisches Filmteam):

Das ist echt schick hier (und Notlager im Heu gibt es bei Bedarf auch):

Und es gibt sogar etwas zum Abendessen.

Noch besser: Das Abendessen gibt es sogar abends !

Paradiesische Zustände. Fast wie Urlaub :-)


THIS is the end: Komme NICHT nach Coburg. Coburg komme zu mir. Maria hilf ! - Oder so ähnlich...


Begegnungen:

- Regina beim Frühstück

- 1 Hase

- 1 Eichelhäher

- 1 riesige blaue Libelle

- 1 ultranetter Anwohner, der mich gleich noch ver-/umsorgte

- 1 große Libelle

- älteres Radler-Ehepaar mit netter Konversation

- 1 große Libelle

- 1 Eichelhäher


2 Kommentare:

  1. 1. Österreichische Wirte und -innen MÜSSEN jammern, das ist quasi der erste Unterrichtsinhalt auf der Wirtsuniversität
    2. Du merkst dir augenscheinlich auch alles...

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  2. Ich versuche in meinem Blog immer wenig Text und viele Bilder zu haben. Liegt sicher daran, dass ich nicht so findig meine Gedanken zu Papier bringen kann. Zum Glück war der Ausflug in die Wirtschaft vor der Wanderung. So habe ich den Gedanken während derselbigen nachgehen können.

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