Heute habe ich ganz viel Zeit: Erst kurz vor 10:00 Uhr wackle ich durch Trofaiach wieder zurück durch den Park zum Busterminal, wo ich gestern Nachmittag bereits Gert auf seine Reise gen Süden geschickt habe.
Heute bin ich dran: Nach den 600 Gratis-Metern zur Haltestelle kommt auch bald der Bus (natürlich pünktlich !) und transportiert mich zurück nach Leoben-Zentrum, wo gerade augenscheinlich der Aufbau für irgendein Fest läuft:
Wenige Minuten später stehe ich bereits an der großen, stark befahrenen Straße im Süden, auf deren anderer Seite ich meinen Weg dann hoffentlich wieder finde.
Manchmal gibt es im Leben ja so Situationen, wo man nicht weiß, was zuerst war. Henne ? Ei ?
Also hier erscheint mir die Sachlage ziemlich eindeutig: Der Betreiber des "styrian iron trail" hat das Nord-Süd-Weitwanderweg-Schild ein paar Meter weiter abgeschraubt und hinter dem Lampenmast montiert, damit sein neuer Weg im Vordergrund im Mittelpunkt ist und bleibt:
Heute bin ich mir mit der "505" auch sicher (gestern, auf dem Hügel zwischen Leoben und Trofaiach hatte ich im Gespräch mit Gert ja noch ein wenig gezweifelt): Nun bin ich in den Zentralalpen !
Von wegen ungerade Hunderter-Stelle und so.
Bis zur Massenburg (bzw. was von ihr noch übrig ist) am Ortsrand und leicht oberhalb von Leoben sind es nurmehr wenige Minuten Gehzeit.
Hier habe ich einerseits einen Ausblick:
Andererseits habe ich aber auch Aufgaben zu erledigen:
Auf der einen Seite hat der Wirt meines heutigen Tagesziels (Mugelschutzhaus des ÖTK) mir im Vorfeld bei der Reservierung vor einigen Wochen unmißverständlich klar gemacht, daß ich an dieser Stelle anzurufen habe, weil ich dann noch ca. 3,5-5 Stunden Gehzeit hätte.
Gesagt getan: Er ist etwas überrascht, weil es erst 11:00 Uhr ist ("kannst Du nicht schlafen"), aber beruhigt, als ich ihm meinen Move des Vortages und die Folgen für heute kurz erläutere. Auch wenn wir nur kurz reden, habe ich ein gutes Gefühl: Da war so eine gewisse Verbindlichkeit in der Stimme. Ein Mann, ein Wort - so in der Art.
Auf der anderen Seite versuche ich weiterhin (vergeblich) auf der Gleinalm anzurufen, wo ich zwar (mit Hürden) für morgen reserviert habe, ob der Horror-Geschichten (z.B. Mutter mit Kind fast alleine gelassen) möchte ich aber nochmal betonen, daß ich morgen kommen werde und zwar spät. Mmmmh, unbefriedigend :-(
Naja, gehen wir - mein Rucksack, seine Trekkingstöcke und ich - halt erstmal los: Durch den Wald bergauf.
Ich bin kaum 15 Minuten gegangen, da sehe ich einen älteren Mann im Gras am Weg liegen, der nicht gerade bei Sinnen wirkt.
Es handelt sich um einen 70-jährigen Ukrainer, seine Ehefrau ist ziemlich hilflos und spricht kaum Deutsch (und schon gar kein Englisch), eine Einheimische 70-jährige mit Hund ist bereits vor Ort und versucht die beiden zu überreden, doch die Rettung rufen zu dürfen.
Als ich ankomme, versuchen wir beide mal gemeinsam die Sachlage etwas zu klären: Keine Schmerzen in der Brust, Schwäche und Schwindel, leichte Benommenheit. Blutdruck-Abfall. Anstrengung durch steiles Gelände im Wald (die beiden wollten wohl Pilze suchen). Wohl keine Zucker-Krankheit im Spiel.
Wir überreden den kaum ansprechbaren Mann etwas Wasser zu trinken und ich biete meinen letzten Traubenzucker an, um ggf. Unterzucker (Frühstück ?) vorzubeugen bzw. den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen.
Erstmal eine Hälfte (die zweite Hälfte bekommt die Ehefrau als Reserve - was sie erst mal gar nicht richtig versteht, sie brauche doch gar nichts). Innerhalb weniger Minuten stabilisiert sich der Zustand des Mannes, er ist wieder klar bei Sinnen, kann wieder deutlich reden und auch erheblich besser Deutsch als seine Frau.
Ich versichere mich nochmal, daß meine Hilfe jetzt nicht mehr benötigt wird und gehe dann weiter.
Puh, das ist ja mal gut gegangen, jetzt kann ich mir mal mehr Gedanken um den komischen Anruf von der Gleinalm-Wirtin machen: Mitten in der Situation mit dem Mann klingelte mein Handy: Ah, Rückruf von der Gleinalm. Denkste: Es ist niemand dran, sondern ich höre nur Hintergrundgeräusche. *Argh*, auch noch zu dumm zum Telefonieren. Also aufgelegt, wieder angerufen und nun (im FÜNFTEN Versuch - die zwischenzeitlich geschriebene SMS noch gar nicht mit eingerechnet) habe ich die Dame am Telefon. Kurz danach bin ich ziemlich fassungslos: Ja, nee, morgen (um dem Ruhetag übermorgen aus dem Weg zu gehen, hatte ich ja extra einen Tag Herauslaufen eingeplant) das paßt ihr ja gar nicht und wie ich wolle auch noch spät kommen (Königs-Etappe: knapp 30 km, bei > 1.700 Aufstieg und > 1.500 Abstieg und in Summe 12,5 Stunden kalkulierter Normgehzeit), sie haben doch morgen eine Feier.
Mir dröhnen die Ohren (auch wenn die aktuellen Wirte ja erst seit dieser Saison - und hoffentlich nie wieder irgendwo eine weitere - am Start sind): Gleinalm ? Feier ? - Da war doch was: Zentralalpenweg 02, 2017: Tag 14
Ok, machen wir es kurz (ich habe hier ja eigentlich noch Erste-Hilfe zu leisten): Ich brauche Zugang zu einem Schlafplatz, etwas zu Essen, etwas zu Trinken - das sollte mir ja hinstellbar sein.
Ja, aber, wie mache man das mit der Bezahlung...
Muß ich der Dame das Klo-Gehen etwa auch noch erklären ?
Was weiß ich, wie wäre es mit
- Barzahlungs-Kassa
- Überweisung
- Kreditkarte
- Paypal
- Bürgen durch Geschäftsstelle ÖAV Weitwanderer
- Bürgen durch Wirtin der Rotgüldenseehütte
Weiter geht es bergauf und irgendwie muß ich mich heute immer mal entscheiden, welchen Weg ich gehe, obwohl (so gut wie) alle zum Ziel Mugelschutzhaus zu führen scheinen.
Auch wenn ich von den angepriesenen Dingen ab Weg häufiger mal gar nichts mitkriege: Z.B. dieser Felsen mit Inschriften. "Spitz Christi" ? Nix gesehen.
Denke ich zu sehr über die Herausforderungen des Folgetages nach ?
Egal, erstmal Mittagseinkehr auf der Schmollhube:
Schmollen oder Hinsetzen und Weinen sind ja bekanntlich auch keine Lösung, also lieber konstruktiv weiter.
Ich gedenke mit dem Wirt am Mugelschutzhaus einen Deal zu machen - der schien mir ja zumindest am Telefon ja dazu passend.
Mmh, von Zirben oder gar Allee selbiger habe ich auch (wieder) nichts mitbekommen :-o
Immerhin entgeht mir dieser (aber namenlose ?) Fels nicht - und wenn einem die Spiztkehre entgangen wäre, wäre man sogar direkt dagegen gelaufen:
Neben der Erste-Hilfe- und der Mittagspause, kommt heute nochmal eine dieser anderen Pausen dazu, die den Charakter einer Wanderbaustelle haben:
Da machst Du in der Minute weder viele Höhen- noch Weitenmeter, wenn Du hier erstmal links und rechts des Weges die reichhaltige Ernte einbringen (und im Magen einlagern) mußt !
Aber der Wirt hatte am Telefon ja sowieso angeregt, ich möge mir Zeit lassen ;-)
Nun bin ich bereits im steileren Anstieg (ca. 20% Steigung) und kann einen Teil des vergangenen Weges unter mir liegen sehen, mit der unbewirtschafteten Gstattmoaralm und der Schmollhube im Hintergrund.
Etwas später schaue ich dann ganz schön in die Röhre:
In eine 300er, um genau zu sein !
Na, die sind hier auch lustig: Bei Starkregen will ich hier also nicht/nie hochhatschen, wenn der Straßengraben auf der anderen Seite direkt auf den Wanderweg entwässert... :-o
Schließlich dauert es nicht mehr lange und ich komme am mondänen, gerade mal 15 Jahre alten Mugelschutzhaus des ÖTK an:
Da waren sie scheinbar noch nicht so knapp bei Kasse ;-)
Die Chefin gibt mir genaue Anweisungen (Warmwasser-Vorlauf per Wasserhahn, damit das mit der heißen Dusche gleich klappt; Toilettengang bei den Damen - sind eh keine da und Herren-Toilette oben außer Betrieb) und zeigt mir mein komfortables Zimmer:
Drei Steckdosen für zwei Betten - da merkst Du moderne Hütte !
Das Beste haben wir - der Chef und ich - aber bereits davor geklärt: Ja, mit Gleinalm gibt es aktuell dauernd Probleme. Nein, Thermo-Früstück braucht es nicht: Er macht mir Frühstück, wenn es Frühstück braucht ! - DAMIT kann ich arbeiten, manchmal hörst Du sowas eben doch schon an der Stimmlage am Telefon bei wildfremden Menschen und wenigen gewechselten Worten.
Die Luxuslösung hätte es natürlich gar nicht unbedingt gebraucht, aber IRGENDEIN konstruktiver Ansatz sollte doch immer anzustreben und in der Regel zu finden sein !
Später erfahre ich, daß wohl noch ein Wanderer kommen, der morgen weiter zur Gleinalm gehen will: Mal sehen, was dessen Kenntnisstand ist und wie wir genau morgen Früh verfahren, ich bin jedenfalls guter Dinge... :-)
Begegnungen:
- Ukrainisches älteres Ehepaar, wo er mit 70 gesundheitliche Probleme hat und sie kaum Deutsch spricht
- weitere 70-jährige einheimische Ersthelferin mit Hund
- Feierabendradler aus Trofaiach auf dem Mugelschutzhaus auf ein nettes Gespräch
- Uli, ebenfalls Nord-Süd-Weitwanderer zur fortgeschrittenen Stunde abends auf der Hütte
Dann kann man nur wünschen, daß mit der Gleinalm alles gut geht.
AntwortenLöschenDu weisst ja gar nicht, wie gespannt ich auf den morgigen Blogeintrag bin...
AntwortenLöschenMeinst Du wirklich den Blog-Eintrag oder eher eine dieser berühmten/berüchtigten Google-Bewertungen die zuweilen schon zu Hüttenschließungen geführt haben sollen ? - Von den Belobigungen per E-Mail seitens Google ("Ihr Beitrag wurde x Mal als hilfreich bewertet") auch nach Jahren mal ganz zu schweigen ;-)
LöschenAlso Hütte schließt du mir bitte keine, die brauchen wir noch! ;)
LöschenEs ist schön, solch positives über das Mugelschutzhaus zu lesen! (und dass recht viele Weitwanderer unterwegs sind)
Das EIGENTLICH positive kommt ja noch !
LöschenFrierende und hungernde Grüße von der Gleinalm, K2.
Das entwickelt sich ja zu einem Thriller. Guten Weg brauch ich ja nicht zu wünschen (obwohl), also gutes Unterkommen.
AntwortenLöschenDeshalb hat man auch immer Schraubenzieher dabei, um gegebenenfalls Plaketen wie "Bett and Bike" oder ähnliches abschrauben zu können.
AntwortenLöschen;-)
LöschenDas (mit dem Abschrauben) habe ich übrigens (samt der Kriterien) auch immer schön an alle weiteren mir bekannten Radler und vor allen Dingen auch NICHT-Radler weitergeschult !
Wanderer, die man in derartigem Haus nicht für 1 Nacht unterbringen will, sind schon auch in der Lage, derartige Operationen durchzuführen :-)